RÜCKGABE VON ZWÖLF KUNSTWERKEN AN DIE NACHFAHREN VON ARMAND DORVILLE
Veröffentlicht am 19/08/2021 - Mis à jour le 05/04/2024
Auf Empfehlung der Kommission für die Entschädigung der Opfer von Enteignungen aufgrund der antisemitischen Gesetzgebung während der Okkupationszeit (CIVS) beschloss der französische Premierminister am 17. Mai 2021, die zwölf Kunstwerke (elf Zeichnungen und eine Wachsfigur), die der Staat beim Verkauf der Sammlung des Herrn Dorville in Nizza im Juni 1942 erworben hatte, an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Die Werke befinden sich derzeit im Louvre-Museum, im Orsay-Museum und im Schloss von Compiègne. Da die betreffenden Kunstwerke Teil öffentlicher, nationaler Sammlungen sind, bedarf es für die Umsetzung dieser Entscheidungen eines besonderen Gesetzes. Die Regierung wird zu diesem Zweck einen entsprechenden Gesetzentwurf in das Parlament einbringen.
Die Fakten
Der jüdische Anwalt und französische Staatsbürger Armand Dorville war auf sein Anwesen in Cubjac in der Dordogne geflohen und starb im Juli 1941. Mit dem Einverständnis seiner Erben sollte sein Testamentsvollstrecker seine Kunstsammlung und seine Möbel versteigern lassen. Am ersten Tag der Auktion seiner Kunstwerke in Nizza am 24. Juni 1942 ernannten die Behörden der Vichy-Regierung einen vorläufigen Verwalter, um die Veräußerung zu „arisieren“, was nichts anderes als die Beschlagnahme des Verkaufserlöses bedeutete. Die Versteigerung, bei der die französischen nationalen Museen zwölf Werke erwarben, erbrachte einen guten Erlös. Sechs Monate danach, im Dezember 1942, beantragte der vorläufige Verwalter, die Familie möge von der vorläufigen Verwaltung befreit werden; diesem Antrag wurde im Juli 1943 stattgegeben. Der Auktionserlös wurde dem Notar der Familie in Form von staatlichen Schuldscheinen zugestellt; da die Familie indes über ganz Südfrankreich verstreut lebt, konnte sie den Auktionserlös mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in Empfang nehmen. Im März 1944 werden fünf Familienmitglieder, darunter drei Erben von Armand Dorville und zwei Kinder, verhaftet, deportiert und umgebracht. Die Erben, die überlebten, erhielten nach dem Krieg den Auktionserlös, der 1947 Bestandteil der Nachlassregelung von Armand Dorville wird. Die Annullierung des Verkaufs, die der Notar seines Wissens hätte fordern können, wird nicht verlangt.
Das Verfahren
Am 13. November 2019 beantragten (1) die Vermächtnisnehmer des Armand Dorville bei der Kommission für die Entschädigung der Opfer von Enteignungen aufgrund der antisemitischen Gesetzgebung während der Okkupationszeit (CIVS) unter Berufung auf die Bestimmungen der Verordnung vom 21. April 1945 (2) die Annullierung des Verkaufs sowie die Rückgabe von 20 Werken. Dieses komplexe Dossier führte zu umfangreichen Sachstandsermittlungen des Ministeriums für Kultur (Abteilung für die Erforschung und Restitution von Raubkunst zwischen 1933 und 1945) sowie der CIVS. Hunderte Seiten Archivmaterial wurden durchforstet, und die Untersuchung wurde ausnahmsweise von zwei berichterstattenden Richtern der CIVS durchgeführt. Das beratende Kollegium der CIVS tagte am 09. April 2021. Die CIVS sprach ihre Empfehlung am 17. Mai 2021 aus.
Die Stellungnahme der Kommission (die Empfehlung vom 17. Mai 2021)
Nur der Richter kann einen Beschluss über die Anwendung der Verordnung vom 21. April 1945 fällen. Daher konnte die CIVS nicht mit dem Antrag auf Annullierung des Verkaufs unter Bezugnahme auf diese Verordnung befasst werden. Die Kommission geht unter Berücksichtigung aller zusammengetragenen Sachverhalte davon aus, dass der Verkauf an sich keinen Raub darstellt: das gilt
sowohl für seine Organisation: die Auktion wurde von den Erben beschlossen und von dem Testamentsvollstrecker, einem Freund und Anwaltskollegen des Herrn Armand Dorville, organisiert;
als auch für seinen Verlauf: die Benennung eines vorläufigen Verwalters hatte keinerlei Einfluss auf die Verkaufsvorgänge; die Nachlassnehmer waren berechtigt, ihr Recht, 46 der zum Verkauf stehenden Objekte vom Verkauf zurückzufordern, aus freien Stücken ausüben können. Der Verkaufserlös lag erheblich über den vorherigen Schätzungen.
Allerdings hatte der Verkauf unter der staatlichen vorläufigen Verwaltung zur Folge, dass die Nachlassnehmer nicht über den Auktionserlös verfügen konnten. Diese Arisierungsmassnahme, die in Anwendung des Gesetzes vom 22. Juli 1941 beschlossen und durchgeführt wurde, wird als ein durch Antisemitismus begründeter Raubtatbestand im Sinne des für die CIVS maßgeblichen Erlasses vom 10. September 1999 erachtet. Die Deportierung und Vernichtung einiger Erben des Armand Dorville sowie die Verstreuung der anderen Erben sind das Ergebnis ihrer antisemitischen Verfolgung; sie verzögerten zudem auch noch die Aushändigung des Auktionserlöses an die Nachlassnehmer. Dieser Sachstand begründet einen besonderen finanziellen Schaden, der zur Entschädigung berechtigt. Zudem erwarb die Verwaltung während der Versteigerung im Juni 1942 zwölf der Werke, wohl wissend, dass der Verkauf nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 22. Juli 1941 erfolgte. Die Kommission für die Entschädigung der Opfer von Enteignungen aufgrund der antisemitischen Gesetzgebung während der Okkupationszeit (CIVS) ist der Auffassung, dass diese Werke nicht länger in öffentlichen Sammlungen aufbewahrt werden sollten. Ihre Rückgabe wird aber derzeit durch den Grundsatz der Unveräußerlichkeit staatlichen Eigentums (Kulturgutgesetz – Code du Patrimoine) verhindert. Sie kann nur durch ein entsprechendes Gesetz autorisiert werden.
Liste der Kunstwerke
- Henry Bonaventure Monnier, Portraits von Joseph Prudhomme und Henry Monnier, Aquarelle, Louvre-Museum, RF 29339;
- Henry Bonaventure Monnier, Die drei Matronen, Aquarell, Louvre-Museum, RF 29340;
- Henry Bonaventure Monnier, Die Besucher, Aquarell, Louvre-Museum, RF 29341;
- Henry Bonaventure Monnier, Ein Abend bei Madame X, Gouachemalerei, Louvre-Museum, RF 29341 bis;
- Jean-Louis Forain, Frau mit blühender Terrasse (oder Junge Frau auf einem Balkon, den Blick über Pariser Dächer schweifen lassend), Aquarell, Orsay-Museum, RF 29342;
- Constantin Guys, Junge Frau und ihre Anstandsdame, Aquarell, Orsay-Museum, RF 29334;
- Constantin Guys, Die Vorstellung des Besuchers (oder Vorstellung des Besuchers), Feder und Lavierung, Orsay-Museum, RF 29335;
- Constantin Guys, Ritter und Amazonen, Feder und Aquarell, Orsay-Museum, RF 29336;
- Constantin Guys, Die Kaiserloge bei einer Darbietung von Madame Viardot im „Orpheus“ (oder Die Kaiserloge), Feder und Aquarell, Orsay-Museum, RF 29337;
- Constantin Guys, Abnahme der Invalidenparade durch Kaiser Napoléon III. (oder Abnahme einer Invalidenparade), Feder und Aquarell, Orsay-Museum, RF 29338;
- Pierre-Jules Mène, Die Amazone, vermutlich Ihre kaiserliche Majestät Eugénie, Wachs Original, Schloss von Compiègne, C 42.064;
- Camille Roqueplan, Postkutsche in Gefahr, Aquarell, Louvre-Museum, RF 29333.